(S)HE’S LOST „CONTROL“ – Der Film über Ian Curtis

CONTROL (Australien/Großbritannien/Japan/USA 2007, Regie: Anton Corbijn)

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(Fassung: Blu-ray, Capelight, Deutschland)

„Confusion in her eyes that says it all. She’s lost control. And she’s clinging to the nearest passer-by, she’s lost control. And she gave away the secrets of her past, and said I’ve lost control again, and of a voice that told her when and where to act, she said I’ve lost control again.“ – mit diesen Worten beginnt der Joy-Division-Song „She’s Lost Control“, der sich auf dem am 15.06.1979 veröffentlichten Debüt-Album „Unknown Pleasures“ befindet (jedoch bereits im Jahr 1978 live gespielt wurde). Nicht einmal ein Jahr später sollte Ian Curtis, Verfasser der Textzeilen und Sänger von Joy Division, selbst endgültig die Kontrolle über sich und sein Leben verlieren. Er beging am 18.05.1980 im Alter von 23 Jahren Selbstmord. Ian Curtis war nicht der erste junge Musiker, der seinem Leben selbst ein Ende setzte und er sollte auch nicht der letzte gewesen sein.

CONTROL erzählt seine Geschichte, beginnend im Jahr 1973, als Curtis noch zur Schule ging und endend mit seinem Selbstmord im Mai 1980. Es ist die Geschichte eines jungen Mannes, der wohl einfach zu jung gewesen ist, um mit den Aufgaben, die ihm das Leben stellte, zurechtzukommen, der zu jung geheiratet hat, zu jung Vater wurde und auch zu jung als Musiker erfolgreich war und der zu allem Überfluss auch noch an Epilepsie litt.

Für den niederländischen Regisseur Anton Corbijn war CONTROL der erste Film für die große Leinwand, zuvor war er als Regisseur von Musikvideos (insbesondere für Depeche Mode) und als Fotograf im Musikbereich tätig. Die Geschichte von Ian Curtis dürfte eine Herzensangelegenheit für ihn gewesen sein. Seiner Biographie kann man entnehmen, dass er – inspiriert von der Musik von Joy Division – Ende der 70er Jahre von Holland nach England zog, dort als Bandfotograf tätig war, die Band rund um Ian Curtis mehrmals getroffen hat und die Bandmitglieder persönlich kannte. Beim Macher von CONTROL handelt es sich also um einen Zeitzeugen, der – das merkt man dem Film definitiv an – mit viel Sorgfalt ans Werk gegangen ist und sauber recherchiert hat. Der Film basiert nicht nur auf dem Buch „Touching from a Distance“ von Curtis‘ Witwe Deborah, sondern es flossen auch Gespräche mit den drei verbliebenen Bandmitgliedern ein und Corbijn und seinem Team gelang es sogar, die im Film von Alexandra Maria Lara gespielte Geliebte (darf man sie überhaupt als solche bezeichnen?) von Ian Curtis, Annik Honoré, dazu zu bewegen, ihre persönlichen Erinnerungen an die Zeit mit Ian Curtis mit den Filmemachern zu teilen. Herausgekommen ist ein Film, der trotz all der Traurigkeit, Melancholie und Nachdenklichkeit, die er verbreitet, eine ungemeine Energie ausstrahlt und extrem authentisch und glaubwürdig wirkt.

Sam Riley in der Rolle des Ian Curtis spielt einfach nur sagenhaft gut und interpretiert diesen jungen, melancholischen, nachdenklichen, depressiven, tieftraurigen und introvertierten Menschen auf mehr als nur beeindruckende Art und Weise. Das von Regisseur Anton Corbijn gewählte Stilmittel der Schwarz/Weiß-Fotografie passt perfekt zur Stimmung des Films und die Tatsache, dass CONTROL an Originalschauplätzen gedreht wurde und die vier Schauspieler der Bandmitglieder (neben Sam Riley noch Joe Anderson, James Anthony Pearson und Harry Treadaway) in den diversen Konzert- und Live-Auftritt-Sequenzen die Songs selbst spielen und die Musik nicht per Playback eingespielt wird, tragen einen weiteren, großen Teil dazu bei, dass CONTROL so unglaublich gut gelungen ist und so faszinierend und eindringlich auf den Zuschauer wirkt.

Natürlich ist CONTROL in erster Linie ein Film über Ian Curtis und nicht unbedingt eine Bandbiographie, er ist in zweiter Linie aber auch – vor allem dank der Stimmung und Atmosphäre die er verbreitet und auch dank des mit Songs von (neben Joy Division) David Bowie, Roxy Music, The Buzzcocks, The Sex Pistols, Iggy Pop, Kraftwerk und The Velvet Underground ausgestatteten Soundtracks – ein beeindruckendes Zeitportrait und für jeden Freund (alternativer) Musik unbedingt einen Blick wert.

Mich persönlich hat CONTROL vor zwei Tagen regelrecht weggebeamt und einfach nur begeistert zurückgelassen. Ich bin mit Jahrgang 1972 zwar noch zu jung, um die Chance gehabt zu haben, die Band während ihrer kurzen Hochzeit wahrzunehmen, wenn man wie ich aber in den 80er Jahren mit der Musik von Bands wie New Order (die ja von den verbliebenen Joy-Division-Mitgliedern gegründet wurden), The Smiths, The Cure, Depeche Mode und The Jesus and Mary Chain aufgewachsen ist, kam man fast zwangsläufig auch mit der Musik von Joy Division in Berührung. Mir persönlich bedeutet gerade die Musik von Joy Division unheimlich viel, ich halte den Song „Love Will Tear Us Apart“ für einen der größten Songs, die jemals geschrieben wurden, und wahrscheinlich hat mir CONTROL auch wegen meiner Liebe zur Musik von Ian Curtis so einzigartig gut gefallen. Ein Film, dessen Größe ich irgendwie gar nicht richtig in Worte fassen kann.

Persönliche Bewertung: Meisterwerk!

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